OK KunZT

VERONIKA DIRNHOFER

>Wer werden wir gewesen sein?<

Veronika Dirnhofer hat für die zweite Schau im Rahmen von OK.kunZT mehrere 2,40 m hohe Papierarbeiten geschaffen, die abgehängt auf verschiedenen Ebenen schweben. Im Malprozess inspirierte die Künstlerin das Denken an – und das sich Hineinfühlen in die Schichten von Landschaften.

>Wer werden wir gewesen sein?<

Großformatige Malereien mit kräftigen Farben verändern die weiträumige Empfangshalle von OKZT am Klagenfurter Ring. Wir können den Raum nicht mehr erleben, ohne dabei auch die Kunst wahrzunehmen. Veronika Dirnhofer hat für die zweite Schau im Rahmen von OK.kunZT mehrere 2,40 m hohe Papierarbeiten geschaffen, die abgehängt auf verschiedenen Ebenen schweben. Im Malprozess inspirierte die Künstlerin das Denken an – und das sich Hineinfühlen in die Schichten von Landschaften. Landschaft ist für sie nicht etwas Fernes oder gar von uns Getrenntes. Landschaft empfindet sie als etwas mit uns Menschen eng Verbundenes, sie spürt eine starke Abhängigkeitsbeziehung. Für Dirnhofer, die das Thema Landschaft und „Umgeben sein“ bereits seit 30 Jahren in vielen ihrer Werke beschäftigt, kann man heute kein Arbeitsfeld, keine private Sphäre mehr denken, ohne auch die Verbundenheit mit der Natur mitzudenken: „Tagtäglich wird die Zerbrechlichkeit der dünnen Schicht ‚Haut‘ der Erde sichtbar und spürbar. Heute geht es mehr denn je um Grenzen des Machbaren und um Fürsorge für andere Lebewesen und Lebensformen.“

Die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Erde sind offensichtlich. Im Zeitalter des Anthropozäns verschwindet die „alte“ Natur und die Zukunft ist ungewiss. Die Grenzen zwischen Natur und Mensch verschwimmen zunehmend und es wird deutlich, dass unser Verhältnis zur Umwelt neu gedacht werden muss. Themen wie Verlust und Veränderung zeigen uns die Notwendigkeit auf, über neue Ideen der Koexistenz nachzudenken. Wir müssen uns aktiv eine Zukunft vorstellen und daran arbeiten, in der Mensch und Natur in Ausgeglichenheit und Austausch, nicht in Trennung existieren, ist die Drinhofer überzeugt.

Ein Spiel von Flächen, Konturen und Unschärfen und immer wieder ein Ineinanderfließen von Farbe bestimmen die großen Papierarbeiten von Veronika Dirnhofers jüngster Serie, die für diesen speziellen Ort entstanden ist: ein Ort des Empfangs, ein Ort des gemeinsamen Essens und Besprechens, ein Ort der Zusammenarbeit und nun auch ein Ort der Begegnung mit Kunst. Dirnhofer hat nicht die konkrete Landschaft und deren Abbild im Blick, sondern sie malt die gefühlten Wechselwirkungen, es geht ihr um Verbundenheit und Verantwortung.

Die Künstlerin, die sich mit der Malerei, der Zeichnung, der Keramik und dem politischen Aktivismus gleichermaßen vertraut fühlt, stellt ihrem Publikum mit dem Titel der Ausstellung eine Frage: >Wer werden wir gewesen sein?< Sie nimmt uns damit in die Verantwortung oder – sachter formuliert – sie inspiriert uns, uns selbst im Gemeinsamen, in unserem „Umgeben sein“ zu reflektieren. Eine Qualität, die heutzutage rar scheint, wird hier zur Voraussetzung: „sich Zeit nehmen“. Zeit etwa, um sich in die großformatigen Werke zu vertiefen, die bei genauerem Hinsehen zwischen Oberfläche und dem Darunter oszillieren, zwischen abstrakter Geste und konkreter Fantasie changieren.

Ein installatives Setting aus Büchern und darauf platzierter Keramik gibt uns Hinweise auf wissenschaftliche und philosophische Literatur, die sich mit der Krise des Zusammenseins von Natur und Mensch, mit dem „Antropozän“, mit „critical zones“ und mit unserer Erde als gemeinsame Haut, in der wir leben, auseinandersetzt. Veronika Dirnhofers darauf platzierte Keramik wirkt fragmentiert und ruhig zugleich. In ihren keramischen Arbeiten bricht die Künstlerin gerne mit Konventionen und herkömmlichen Vorstellungen dieser weiblich konnotierten Technik: Beim Verarbeiten und Brennen werden Teile immer wieder zerbrochen und neu zusammengefügt, Rohheit und Feingefühl ergeben ihren eigenen Stil.

Für ein halbes Jahr verändert Veronika Dirnhofers künstlerisches Eingreifen den Blick auf den großen Gemeinschaftsraum von OKZT und erweitert diesen um die Perspektive der gemeinsamen Landschaft und Verantwortung dafür.

DIE KÜNSTLERIN

Veronika Dirnhofer (*1967) studierte an der Wiener Akademie der Bildenden Künste. Während ihrer Studienjahre absolvierte sie ein Auslandsemester in New York City und erhielt ein Arbeitsstipendium des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung. Nach ihrem Abschluss war sie als Assistentin an der Akademie der Bildenden Künste und bald als Gastprofessorin an der Kunstuniversität Linz tätig. 2002 wurde sie mit dem Kulturförderpreis des Landes Vorarlberg ausgezeichnet, zwei Jahre später mit dem Niederösterreichischen Kulturpreis. 2006 war Dirnhofer Artist in Residence am Art Institute of Chicago.

Abstrakte Malerei, Zeichnung und Keramik kommen in den vielfältigen Projekten der Künstlerin zum Einsatz. Dirnhofer setzt immer wieder ortsspezifische Intervention um und schafft Kunst im öffentlichen Raum – gerne in Kollaboration mit Kolleg*innen. Die Künstlerin, die soziales Engagement als Teil ihrer künstlerischen Praxis ansieht, lebt und arbeitet in Wien und Niederösterreich und lehrt als Professorin an der Akademie der bildenden Künste Wien.

Impressionen der Ausstellung

Foto: Johannes Puch