Bauingenieur auf Reisen Teil 2:
Traditionelle Baukunst auf den Shetlands: Was wir von den Baumeistern des 18. und 19. Jahrhunderts lernen können
Auf den Shetland-Inseln haben lokale Baumeister im 18. und 19. Jahrhundert Gebäude errichtet, die den stärksten Stürmen und harten Wintern standhalten. Bemerkenswert ist, dass diese Bauwerke mit einfachsten Mitteln und lokalen Ressourcen entstanden. Besonders das Dach spielte dabei eine entscheidende Rolle.
Vergleich von Dachkonstruktionen: Damals und heute
Ein Blick auf die traditionellen Shetland-Dächer zeigt, dass sie aus Haferstroh und handgeflochtenen Hanfnetzen bestanden, die mit Ballaststeinen beschwert wurden. Der Unterbau bestand aus Humus und Torf, während Natursteine als Tropfkanten fungierten und gleichzeitig als Windbrecher dienten. Die Wände bestanden aus Trockenmauerwerk mit Sandfugen und einer Innenverkleidung aus Sand-Kalk-Putz. Fast alle Materialien kamen aus der unmittelbaren Umgebung, meist weniger als 500 Meter vom Bauplatz entfernt. Die Dachkonstruktion bestand aus Treibholz, Bootsteilen und Ästen, die eine aerodynamische Form schufen, um den Stürmen zu trotzen.
Im Vergleich dazu verwenden wir heute genagelte Faserzementplatten, Mineralwolle, Membranen und Trockenbauplatten. Die Materialien werden häufig über große Entfernungen transportiert und in aufwendigen, scharfkantigen Dachformen verbaut, die anfällig für Sogkräfte sind, die bei starken Winden entstehen. Diese moderne Bauweise führt oft dazu, dass Gebäude bei Stürmen beschädigt werden.
Nachhaltige Bauweise: Eine Lektion aus der Vergangenheit
Die Baumeister auf den Shetlands wurden nicht von Gedanken an eine „nachhaltige“ Zukunft oder an die Reduktion des CO2-Fußabdrucks angetrieben. Vielmehr war es die Notwendigkeit, aus den vorhandenen Ressourcen das Beste zu machen. Ihre Bauwerke überdauern hunderte Jahre, ohne dass sie fest verankert sind – eine beeindruckende Leistung, die auf kluger Materialwahl und durchdachter Konstruktion beruht.
Moderne Häuser hingegen werden oft von Stürmen in Mitleidenschaft gezogen, weil die scharfkantigen Dachformen Sogkräfte erzeugen. Die alten Shetland-Bauten mit ihren ausgewogenen, aerodynamischen Dächern zeigen uns, dass es möglich ist, Gebäude zu errichten, die den Elementen trotzen, ohne auf hochmoderne Materialien und Techniken angewiesen zu sein.
Was können wir Planer von den Baumeistern der Vergangenheit lernen?
Wir sollten uns fragen, ob es nicht an der Zeit ist, die Erkenntnisse und Techniken unserer Vorfahren in unser heutiges Bauen zu integrieren. Vielleicht liegt die Zukunft des Bauens nicht nur in technologischen Innovationen, sondern auch in der Rückbesinnung auf einfache, bewährte Methoden, die die natürlichen Gegebenheiten respektieren und nutzen. Wie können wir die alten Bauweisen mit modernen Ansätzen kombinieren, um nachhaltiger und widerstandsfähiger zu bauen?